Nahe dem Küstenort Ballycastle gründete Rory MacQuillan um das Jahr 1500 ein Franziskanerkloster. Es bekam den Namen Bonamargy, irisch Bun na Mairge. Das bedeutet so viel wie »Fuß des Flusses Margy«, an dem das Kloster erbaut wurde. Bis dato stehen noch einige Mauern sowie etliche Gräber auf dem Klosterareal. Zugleich ist es ein Ort voller Legenden und Gruselgeschichten. Zuletzt lösten diese im Jahr 1958 sogar einen kleinen Goldrausch aus. Auf ihrer Suche nach einem geheimen Schatz versuchten die Goldgräber eines zu verdrängen: die fromme Schwester Julia. Als »The Black Nun«, die Schwarze Nonne, hat sie im Kloster einen einsamen Tod gefunden. Seither soll ihr Geist immer wieder Besuchern erschienen sein.
Etwas mühsam fädeln wir unseren Mietwagen in eine Lücke auf dem winzigen Parkplatz des Bonamargy Friary ein. Das Klosterareal ist umgeben vom üppigen Grün des Ballycastle Golf Club. Es befindet sich direkt an der Cushendall Road, die wir bereits mehrmals gefahren sind. Dennoch war uns der Friedhof bisher nie so richtig aufgefallen. Ein Grund hierfür sind sicherlich die Bäume, welche die Ruinen von der Straße abschirmen.
Gleich am Eingang des Friedhofs fällt ein aufwendiges Keltenkreuz auf. Es wirkt einiges neuer als die Grabsteine dahinter. Davor stehen die markanten Grabsteine einiger verstorbener Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg. Die meisten von ihnen verloren ihr Leben auf dem Hilfskreuzer HMS Viknor. Am 13. Januar 1915 verschwand das Schiff mit 295 Seelen an Bord während einer Patrouillenfahrt an der nordirischen Küste. Als eine mögliche Ursache wird angenommen, dass die HMS Viknor auf eine deutsche Seemine aufgelaufen sein könnte. Es gab zwar keine Überlebenden, die dies hätten bestätigen können. In den Tagen nach dem Verschwinden wurden jedoch zahlreiche Leichen an die Küste gespült.
Niedrig wachsende Buchen bilden mit ihren verschlungenen Ästen einen Tunnel. Vor uns liegt nun der Zuweg zum ehemaligen Kloster. Noch heute ziert ein großes Fenster im Stil der Spätirischen Gotik die Ruine. Daneben sind im Mauerwerk verwitterte Dekorationen zu sehen. Wer genau hinschaut, findet Köpfe, Flechtwerk, Blätter und Tiere. Bis auf das Gewölbe mit der Familiengruft der MacDonnells sind die Räume der Ruine für sämtliche Entdecker zugänglich.
Rory McQuillan gründete das Kloster der Franziskaner um 1500. Bonamargy funktionierte nach der Auflösung der Klöster im Jahr 1536 zunächst weiter. Nach dem Sieg von Sorley Boy MacDonnell über die McQuillans gelangte es 1558 in den Besitz der MacDonnells of Antrim. 1584 brannte die strohgedeckte Kirche nieder.
Daraufhin blieben die Brandruine und die Klostergebäude für mehrere Jahrzehnte sich selbst überlassen. 1621 begann Randal MacDonnell, der erste Earl of Antrim, die Ruine zu restaurieren. Im Rahmen dieser Arbeiten entstanden die MacDonnell-Gewölbe mitsamt einer privaten Familienkapelle. Für die nächsten 20 Jahre diente Bonamargy den McDonnells of Kilmore als Hauptbegräbnisstätte.
1641 wurde das Kloster dann endgültig aufgegeben und verlassen. Einzig Verbleibende war die Nonne Julia McQuillan. Julia war eine Einsiedlerin und Prophetin, eine Art irischer Nostradamus. Viele ihrer teils schaurigen Weissagungen sollen sich nach vielen Jahren bewahrheitet haben.
So erklärte sie, ein Fluss in Ballycastle würde sich eines Tages rot verfärben. Dies ereignete sich 200 Jahre später. Ein Arbeiter fiel in einen Mühlenkanal. Kurz darauf wurde er in das Wasserrad gezogen und kam grausam ums Leben. Sein Blut färbte den Fluss daraufhin rot.
Eine ihrer Vorhersagungen lautete, dass eines Tages Schiffe ohne Segel zwischen Irland und Schottland segeln werden. Zwei Jahrhunderte später stach das erste Dampfschiff in See. Julia sprach auch von einem rothaarigen Priester, der am Strand von Ballycastle ertrinken werde. 1940 geriet Pater James McCann aus Belfast (er war ein wahrer Rotschopf!) in eine Strömung. Nahe der Felsen von Pan's Rock ertrank der Geistliche.
Der Tod der Schwarzen Nonne wird wohl immer ein Geheimnis bleiben. Laut einer Legende hatte sie ein Unbekannter aus dem Fenster im Obergeschoss gestoßen. Andere Geschichten sagen, sie wäre einfach nur auf der Treppe ausgerutscht. Sie kann aber auch durch einen losen Stein aus dem alten Gemäuer erschlagen worden sein. Jedenfalls hatte sie vor ihrem Tod den Wunsch geäußert, im Eingangsbereich der Kirche bestattet zu werden. Die Menschen sollten über ihr Grab laufen, wenn sie zum Gottesdienst gingen. Dies gilt als ein Beweis für ihre Demut.
Heute ziert ihr Grab ein ungewöhnlicher Stein. Er ist rund, mit einem Loch durch die Mitte. Manche nennen ihn ein abgerundetes keltisches Kreuz. Legenden sprechen von Ritualen, die ihren Geist erwecken sollen. Aber auch ohne diese Rituale soll Julias Geist Bonamargy Friary immer wieder heimsuchen. Die Dame soll, gekleidet in ihr schwarzes Gewand, mehrmals gesichtet worden sein. Trotz ihrer düsteren Erscheinung soll ihre Begegnungen ein Gefühl des Friedens und des Wohlbefindens auslösen. Dem gegenüber stehen mehrere Erzählungen von paranormalen Erfahrungen bei den Ruinen.
So soll vor Jahren ein Reporter der BBC das Grab der Schwarzen Nonne fotografiert haben, als ihm eine Familie ins Bild lief. Als diese ihn bemerkte, wollte sie ihm aus dem Bild gehen und versteckte sich in einem Durchgang. Dort schlug plötzlich ein schwerer Stein zu Boden. Erschrocken verließen die Eltern und Kinder das unsichere Bauwerk. Die anschließende Untersuchung des Vorfalls kam zu dem Schluss, dass der Stein von einer Seitenwand stamme. Und er wurde von hinten mit Gewalt geschoben. Vielleicht erklärt das auch den Tod der Schwarzen Nonne.
Vielleicht ist sie auch einfach dem Geist des Heiligen Schatzes zu nahe gekommen. Mönche sollen einen Schatz in einer eisernen Truhe versteckt und im Boden vergraben haben. Ein Schutzgeist soll das Gelände bewachen. Er ist dazu da, diejenigen zu erschrecken und sogar anzugreifen, die dem Schatz zu nahe kommen. Die Geschichte über den Schatz löste 1959 den Goldrausch von Ballycastle aus. Damals wurden immer wieder Löcher auf dem Klostergelände gefunden. Die Polizei patrouillierte einige Nächte in der Gegend. Sie bemerkte jedoch nie etwas Ungewöhnliches. Vielleicht hat der Geist auch die Schatzräuber erfolgreich vertrieben? Uns selbst ist weder ein Geist erschienen noch sind uns Steine vor die Füße gefallen. Bonamargy Friary ist ein friedlicher Ort, über den es viele Geschichten mit Soll und Aber gibt. Lassen wir die Nonne einfach in Frieden ruhen.