Bei der Weiterfahrt verlassen wir den County Down und stecken wenig später im Stadtverkehr von Belfast. Von der Brücke der M3 blicken wir kurz auf das Titanic Visitor Center. Dann verlassen wir den Großraum Belfast und fahre entlang der Küste Lough Belfasts zum Carrickfergus Castle.
Vor dem Aufstieg Belfasts galt Carrickfergus als heimliche Hauptstadt des britisch-protestantischen Ulsters. Heute ist es ein ruhiges Städtchen mit einer gewaltigen Burg am Hafen. An den Hafenarbeitern und am Denkmal von König William III. vorbei, stehen wir bald vor der Eingangsrampe zur Burg. Das Falltor im Torhaus verwehrte einst unliebsamen Gästen den Zutritt. Wer feindliche Absichten hegte und es dennoch wagte, musste mit einem Schauer herabprasselnder Steinbrocken rechnen. Heute freut man sich natürlich auch hier über Besucher. Die Eintrittspreise sind dezent mit Kreide auf einer alten Tafel geschrieben.
Genauso beeindruckend wie die markante, auf einem Basaltfelsen stehende Burg ist ihre 800jährige Geschichte. Die 1177 von John de Courcy erbaute Feste überstand abwechselnd Angriffe von Schotten, Iren, Engländern und Franzosen. Im Zweiten Weltkrieg diente sie als Luftschutzbunker der Menschen von Carrickfergus. Die königliche Armee indes zog sich bereits 1928 aus der Burg zurück und überließ sie dem Staat.
Mit Wänden zwischen drei und fünf Metern Dicke ist der 30 Meter hohe Bergfried der stärkste und am besten gesicherte Teil der Burg. Ein tiefer Brunnen erlaubte es der Besatzung, sich in Krisenzeiten mit Trinkwasser zu versorgen. Heute dienen der hier untergebrachte Wohnturm und Bankettsaal als Ausstellungsraum von Burgmodellen und Ritterrüstungen. Wer in jede Ecke des Turms schaut, wird King John finden, wie er auf dem königlichen Abort hockt, vertieft in einem ewiglich andauernden Geschäft.
Zu den ältesten Teilen der Burg zählt der innere Hof. Es wird angenommen, dass hier einst der ursprüngliche Standort des Bankettsaals war. In einem der Fenster sitzt ein Modell der Prinzessin Affreca de Courcy. Nach seiner erfolgreichen Eroberung von Ulster hatte John de Courcy die Tochter des Königs Godred Olafsson geheiratet, welche ihrerseits nach einer stürmischen Seereise Grey Abbey gründete. Ansonsten ist nur wenig von Affreca bekannt. Nach ihrer traditionellen Hochzeit verbrachte sie ihr Leben auf Carrickfergus Castle. Wahrscheinlich saß sie oft an dem Fenster des sonst so düsteren Gemäuers, beschäftigte sich mit Handarbeiten und träumte von ihrer Heimat.
Im frühen 13. Jahrhundert entstand um die Wohntürme herum eine zweite Verteidigungsmauer. Ein kleiner Turm auf der Meerseite diente außerdem als »Hintertürchen«. Sollte die Burg überrannt werden, konnten die Bewohner hierdurch flüchten. Doch die Burg war wehrhaft. Die Kanonen wurden auf runden Schienen geführt, um ein breiteres Feuerfeld zu ermöglichen. Auf vorspringenden Türmen standen Bogenschützen und auf Meereshöhe hatte man spezielle Pfeilschlitze für ein Armbrustfeuer gefertigt.
Kam ein Fremder doch einmal näher, so hielten ihn Fallgitter auf. Dort konnte er nach seinen Vorhaben gefragt werden. Wer geduldet war, durfte passieren. War der Gast unerwünscht, so fiel hinter ihm das zweite Fallgitter hinab. Dadurch konnte ihm weder jemand folgen, noch konnte er entfliehen. Im schlimmsten Fall öffnete sich über ihm das »Mörderloch« und tötete ein gezielter Speer den Feind. Manchmal überschüttete man ihn aber auch »nur« mit kochendem Öl oder eiskaltem Wasser. Gegen beides nützte selbst ein dichtes Kettenhemd wenig.
Es sind die alten schaurig-schönen Geschichten, die uns hier wie auch in vielen anderen Burgen Irland begleiten. Das Carrickfergus Castle ist dazu noch sehr gut erhalten. Bei Führungen oder mithilfe einer Übersichtskarte samt ausführlichen Beschreibungen werden die Geschichten dem Besucher auf anschauliche Art näher gebracht. So erleben wir einen unerwartet interessanten und schönen Besuch, eh wir uns von den freundlichen Mitarbeitern der Burg verabschieden und Kurs auf die nächste Burg Nordirlands nehmen.