Die Landzunge Fair Head ist ein monolithischer Koloss, welcher die nordöstliche Ecke von Irland markiert. Seine dramatischen Klippen ragen hoch über die Sea of Moyle in den Himmel. Fair Head ist einer der bekanntesten Orte der irischen Insel. Es ist ein Ort, wo Landschaft, Mythologie und Geschichte miteinander verschmelzen.
Wo der mächtige Atlantik auf die Irische See prallt, verbrachten die Kinder von Lir 300 Jahre ihres verzauberten Schwanenlebens. Es ist ein mythischer Ort, gebildet aus schwarzen Dolerit. Alles in allem ist der Landstrich wie geschaffen als das Land um Drachenstein. Dort trifft Jon Schnee auf Drogon, dem wildesten und größten Drachen der Game of Thrones-Saga.
Hoch über der stürmischen Murlough Bay führt ein schmales Sträßlein bis zu einem unscheinbaren Parkplatz. Die McBrides haben auf dem Fair Head seit gut 300 Jahren ihre Familienfarm. Zwölf Generation lang bewirtschaftet sie schon das Land rund um die Klippen. Damit haben die McBrides maßgeblich zu der Landschaft beigetragen, die wir heute vor uns sehen. Die Familie bietet uns eine Parkfläche mit GoT-Erinnerungstafel, wie auch eine Wandertafel mit verschiedenen Tourenvorschlägen. Für das Abstellen des Autos werden drei Pfund verlangt, was ganz in Ordnung ist.
Wir verlassen den Parkplatz und folgen rechts der Straße. In der Ferne fallen uns einige zerfallene Hütten auf. Sie gehören zum Clochán, der alten Steinhütte, welche viele Generationen der Familie beherbergte. Zwei alte Damen verließen in den 1960er Jahren den Clochán als die letzten Bewohner. Danach nutzten Kletterer aus aller Welt die Gemäuer zum Übernachten. Schließlich verfielen sie zu einem Schatten ihres früheren Selbst. Für die Kletterfreunde bleibt nun nur noch der kleine Campingplatz neben den Ruinen.
Beim Zuweg zum Clochán steht bereits die nächste Infotafel. Denn auf den flachen Hügeln des Fair Head befindet sich die archäologische Stätte von Dún Mór, dem »Großen Fort«. Es wird angenommen, dass Dún Mór als eine mittelalterliche Festung der Anglo-Normannen erbaut wurde. Die Artefakte, welche bei den Ausgrabungen gefunden wurden, zeigen zweierlei. Sie belegen, dass die Landschaft in der anglo-normannischen Zeit besetzt war, aber auch zuvor schon bewohnt war. Demnach könnte der erste Bau von Dún Mór die Resistenz eines mächtigen Mitglieds der Dalriada, irisch Dál Riata, gewesen sein. Von hier aus konnte das Kleinkönigreich keltischer Skoten das gesamte Gebiet von Ballycastle beherrschen.
Kurz vor einem Viehgitter verlassen wir das Sträßlein. Über eine hölzerne Kletterhilfe kommen wir auf die andere Seite des Weidezauns. Der Wanderpfad ist gut zu finden. Einige Pfosten markieren deutlich den Wegverlauf. Vorbei an gelb blühenden Ginsterhecken und einigen Schafen, erklimmen wir die ersten Klippen. Oben angelangt eröffnet sich uns eine traumhafte Aussicht. Entlang der Küste sehen wir bis zur Hafenstadt Ballycastle. Im Norden tauchen die westlichen Klippen von Rathlin Island auf. Eine Natursteinmauer schützt Wanderer und Schafe vorm Absturz von den Klippen, die immer steiler werden. Die Klippenränder mögen aufregend sein. Doch sie sind auch gefährlich und Vorsicht ist auch hier besser als Nachsicht.
Bald erreichen wir die senkrecht abfallenden Steinklippen. Die Wolken über uns hängen so niedrig, dass wir fast hineingreifen können. Doch sie hängen weit genug oben, dass wir in der Ferne das L-förmige Eiland von Rathlin vor uns sehen. Dort scheint die Sonne. Im Hochsommer geht die Sonne direkt vor der Westspitze der Insel unter. Das dämmrige Licht verblasst nie ganz, sondern geht hinter der Insel vorbei und steigt östlich, beim Mull of Kintyre in Schottland wieder auf.
Bei klarem Wetter muss die Aussicht traumhaft sein. Sie reicht vom Kinbane Head nach Ballycastle, über die Sea of Moyle nach Rathlin Island sowie bis nach Schottland. Entlang der östlichen Küste könnte man bis zur Landzunge Torr Head sehen. Hier versteht es sich leicht, warum die Gegend in Geschichten und Legenden aus der irischen Mythologie als Schauplatz diente.
Im Hafen von Ballycastle lässt eine Skulptur vier Schwäne über den Fair Head fliegen. Es sind die vier Kinder von Lir. Die Liebe zu seinen Kindern aus erster Ehe ließ ihre Stiefmutter Aoife vor Eifersucht wahnsinnig werden. Eines Tages verwandelte sie die Kinder am Lough Derravaragh in Schwäne. Der Zauber sollte solange halten, bis eine Frau aus dem Süden Irlands einen Mann aus dem Norden heiratet. So fristeten die Schwäne 900 Jahre lang ihr Dasein auf verschiedenen Gewässern Irlands. Doch nur allzu bald plagte Aoife ihr schlechtes Gewissen. Sie verlieh den Schwänen die Gabe des überirdisch schönen Gesangs. Lir hingegen verfügte, dass in Irland kein Schwan mehr getötet werden dürfe.
Beim Durchbruch des Cas na Lough tritt das besondere Gestein des Fair Head offen zutage. Der Klippenrand besteht aus hunderten Säulen aus Dolerit. Es ist ein basaltähnliches Vulkangestein, das vor über 60 Millionen Jahren den Weg an die Oberfläche fand. Ein Großteil der Klippen ist zu einem großen Geröllhang zerfallen, der von der Basis bis zum Meer verläuft. Einige dieser Felsbrocken sind so groß wie Häuser. Der Köcherbaumwald in Namibia ist bekannt für solche Steinsäulen aus Dolerit, weshalb er als Spielplatz der Riesen bekannt ist. Hier in Nordirland entwickelte sich die Steilwand des Fair Head zum Spielplatz der Kletterer. Fair Head bietet die größte, zum Klettern geeignete Felsfläche von Nordirland. Es ist ein bekanntes Klettergebiet, das Enthusiasten aus aller Welt anzieht, um sich an der Felslegende zu beweisen.
Die Klippen bilden eine weitere Kulisse für die Staffel sieben der Serie Game of Thrones. Auf der Klippe von Drachenstein trifft Varys die Rote Priesterin Melisandre. Wegen Fehleinschätzungen aus ihrer Vergangenheit rät er ihr, aus Westeros zu verschwinden. Sie indes prophezeit ihm zu seinem Entsetzen, dass auch er dort sterben wird. In der Folge fünf kehrt Daenerys auf dem Rücken des Drachen Drogon nach Drachenstein zurück. Zu ihrer Überraschung erlaubt das Tier Jon Schnee, sein Gesicht zu streicheln. Damit beginnen die beiden, miteinander zu reden. Ihr Gespräch jedoch wird durch die Rückkehr von Ser Jorah Mormont jäh unterbrochen. Dieser wurde kurz zuvor von der Grauschuppen-Krankheit geheilt.
Gut 800 Meter nach dem Durchbruch des Cas na Lough verlassen wir bei einer Markierung den Klippenrand. Der nächste Abschnitt führt landeinwärts bis zum Lough Na Cranagh. Vom Wanderweg aus sehen wir den Crannóg mitten auf dem See. Die kleine Insel wurde einst zu Verteidigungszwecken geschaffen. Crannógs sind in ganz Irland verbreitet und waren meist Behausungen aus Holz und Stein. An dem unnatürlichen Rund ist zu erkennen, dass die Insel künstlich angelegt ist. Danach passieren wir mehrere prächtige Ginsterhecken, bevor wir wieder den Hof erreichen. Dort blicken wir auf eine weitere schöne Wanderung auf den Spuren von Game of Thrones zurück. Sie hat weit mehr zu bieten als Drachen und Mittelalter.
Auf der Cushendall Road zwischen Cushendun und Ballycastle gelangen wir in den Weiler Ballyvoy. Dort ist die Murlough Bay, wie auch Fair Head auf den auffälligen, braunen Touristenschildern angeschrieben. Die Straße verzweigt sich bald. Zum Fair Head nehmen wir die angeschriebene Sackgasse, die links wegführt. Wir folgen dem schmalen Sträßlein, bis sie sich nach knapp zwei Kilometern wieder verzweigt. Links geht es zur Seans Farm, dem Bauernhof der McBrides mit dem genannten Parkplatz.
Ausgangspunkt | Parkplatz Seans Farm |
Koordinaten | N 55.2167, W -6.1537 |
Gehzeit | 1,5 Stunden |
Distanz | ca. 3,6 km (Rundwanderung) |
Anstiege | ca. 70 HM |
Grad | T1-2 (Es bracht etwas Orientierungssinn, da die Markierungen teilweise schlecht zu finden sind.) |
Einkehr | keine |
GPS-Daten | Wanderung Fair-Head gpx |
kml-Daten | Wanderung Fair-Head kml |