Majestätischer kann ein Königsweg kaum sein. Die Buchenallee »The Dark Hedges« haben etliche Reisende bereits vor Jahren zu einem der schönsten Orte in Nordirland gewählt. Seit Hunderten von Jahren entfalten sich die Buchen in urwüchsigen Formen. Imposant säumen sie den Weg zum gregorianischen Herrenhaus Gracehill. Soviel Mystik rief natürlich auch die Macher der Kult-Saga Game of Thrones auf den Plan. Tatsächlich dauert die Szene auf dem Königsweg durch The Dark Hedges nur wenige Sekunden. Doch eben diese machen die Buchenallee zu einem gewaltigen Besuchermagneten.
Im Jahr 1775 beschloss die Familie Stuart, eine Buchenallee als Zufahrt zu ihrem prunkvollen Herrenhaus Gracehill anzulegen. Hätte man ihnen geweissagt, welche Berühmtheit die Allee später erlangen würde, sie hätten wohl ungläubig den Kopf geschüttelt. Sie wollten ihren Besuchern einfach einen besonderen Empfang darbieten. In dem rauen nordirischen Klima wuchsen die Bäume zu knorrigen, mystischen Buchen mit sagenhaft verflochtenen Ästen heran. Als Folge entwickelte sich die imposante Bregagh Road zur scheinbar meist fotografierten Allee der Welt. So ist sie auf Unmengen an Postkarten abgebildet, die lange vor der Mittelalter-Saga in alle Welt verschickt wurden.
Damit sind The Dark Hedges schon seit vielen Jahren ein Anziehungspunkt für Touristen. Dennoch gehörten sie früher eher zum Insiderwissen der Nordirland-Reisenden. Blättere ich durch meinen Reiseführer – eine Schwarte aus dem Jahr 2012 – so finde ich keine Silbe über die sagenhaften Bäume. Neben der berühmten Causeway Coast findet der Abstecher zu The Dark Hedges keinerlei Beachtung. Wahrscheinlich wird die Bregagh Road in den neueren Auflagen erwähnt. Doch ich hänge an meinem alten Irland-Schmöker mit den vielen Zetteln und persönlichen Eintragungen. Andererseits benötigte es auch keinen Reiseführer, um die Straße zu einem der meistbesuchten Ort Nordirlands zu machen.
Ursache für die außergewöhnliche Berühmtheit sind ein paar wenige Sekunden in der zweiten Staffel der Mittelalter-Saga Game of Thrones. Nach dem Tod ihres Vaters entkommt Arya Stark aus Königsmund. Als Junge verkleidet reist sie zusammen mit Gendry und dem Bäckersjungen Heiße Pastete als einer der neuen Rekruten der Nachtwache. Ihre Route verläuft auf dem Königsweg in Richtung der Schwarzen Festung. Mit Gendry, der sie bereits als Mädchen entlarvt hat, sitzt Arya hinten auf einer Karre und fährt durch die mystische Allee von The Dark Hedges. Doch es ranken sich auch Legenden um The Dark Hedges. Vor vielen ungezählten Jahren soll nahe der Allee ein Dienstmädchen des Gracehill Houses unter mysteriösen Umständen umgekommen sein. Seitdem streift sie des nachts als die Lady in Grey rastlos zwischen den Buchen umher. Reisende brauchen ihre Begegnung nicht zu fürchten. Denn was auch immer mit ihr geschehen sein mag, sie will niemanden was Böses.
The Dark Hedges versprühen eine außergewöhnliche Atmosphäre. Da ist es ganz gleich, ob man Mittelalter-Fan ist oder einfach ein Landschafts-Freund. Allerdings sollte man sich im Klaren sein, dass es lediglich 600 Meter Straße, irgendwo im Nirgendwo von Nordirland sind. Inzwischen bieten einige Veranstalter Ausflugstouren zur Bregagh Road an. Diese fahren in der Regel noch weitere Drehorte von Game of Thrones an. Für Menschen, die sich auch in einer Menge Touristen wohl fühlen, lohnt sich solch ein Ausflug.
Wir waren zweimal mit dem Mietwagen dort. Beide Male haben wir uns für die frühen Morgenstunden entschieden. Während in den B&Bs noch gefrühstückt wird, stehen die Chancen gut, eine menschenleere Straße anzufinden. Wegen des großen Andrangs ist die Allee inzwischen für den Straßenverkehr gesperrt. Und das ist auch gut so. Bei unserem ersten Besuch kamen nur allzu bald Autos angefahren und haben sich penetrant ins Bild gestellt. Diese Zeiten sind vorbei. Heute gilt es nur noch, möglichst vor oder erst Abends nach den Bussen in der Straße zu sein. Wir haben The Dark Hedges in zwei unserer Rundreisen durch Nordirland eingebaut. So hat sich der Besuch für uns doppelt gelohnt. Es ist schon ein besonderes Gefühl, durch den von knorrigen Bäumen geformten Tunnel zu spazieren.
Nichts hält ewig! Diese Erfahrung hatten wir schon bei der GoT-Kulisse auf der maltesischen Insel Gozo gemacht. Im April 2017 stürzte dort das Azure Window, das Blaue Fenster ein. Es diente als Kulisse zur Hochzeit von Daenerys Targaryen mit Khal Drogo. Bei The Dark Hedges wurde bereits 2014 davor gewarnt, dass die Bäume gefährdet seien. Im Januar 2016 war es dann soweit. Sturm Gertrude fegte über das Land. Sie zerstörte und beschädigte gleich drei der mächtigen Bäume. Doch ihr Holz sollte nicht im Feuer enden. Es wurde geborgen und in einzigartige Kunstwerke verwandelt. So entstanden zehn besonders geschnitzte Türen. Mit ikonischen Symbolen und Schlüsselszenen erzählen sie die Geschichte der sechsten Staffel. Seitdem verbindet die Handwerkskunst über den Journey of Doors zehn Pubs oder Restaurants mit Drehorten, verteilt in ganz Nordirland. Wir haben sieben von ihnen besucht und müssen zugeben, es wurden durchweg besondere Orte dafür ausgesucht.
Die Allee von The Dark Hedges haben wir erst nach dem Sturm Gertrude besucht. Weitere Bäume wurden im Februar 2017 und Juni 2018 bei den Stürmen Doris und Hector beschädigt. Danach sind Ende November 2021 durch den Sturm Arwen mit Windböen bis zu 140 km/h abermals zwei mächtige Buchen umgestürzt. Dadurch klaffen heute natürlich mehrere Lücken in der Allee. Beeindruckend ist sie aber dennoch. Mit der Zeit werden die nachgepflanzten Bäume die Lücken ihrer gestürzten Vorgänger wieder schließen.
Das nächste Ziel unseres GoT-Travel Itinerary ist die Sklavenbucht an der Mourlough Bay. Doch knapp drei Meilen nach The Dark Hedges ein Rundturm unsere Aufmerksamkeit auf sich. Wir sind bei der St. Patrick Church von Armoy, die wunderschön, inmitten des Niemandslands gelegen ist. Neben der Kirche steht der 10,8 Meter hohe Armoy Round Tower. Es ein recht gut erhaltener und zugänglicher Rundturm. Wie bei den meisten Rundtürmen befindet sich der Eingang ein gutes Stück über dem Boden. Hier sind es 1,60 Meter. Das war gängige Praxis, um Bestattungen aufzunehmen, die dann mit den Jahren das Erdniveau erhöhten. Um den Eintritt durch die schmale Türöffnung zu erleichtern, wurde im Nachhinein ein Trittstein eingefügt. Ein kurzer Abstecher zum Armoy Round Tower lohnt sich daher. Vom gepflegten Kirchhof blickt man in die schöne Landschaft der Grafschaft Antrim. Und ein Rundturm, den man betreten kann, findet man auch in Irland nicht allerorts.