Dundrum Castle ist eine Burgruine nördlich der Küstenstadt Newcastle. Sie ist auf einem dominierenden felsigen Hügel entstanden. Durch diese exponierte Lage bietet die Burg eine weitreichende Aussicht über die Dundrum Bay. Als Bauherr gilt der anglonormannische Eroberer John de Courcy. Mit der Burg wollte er den Zugang zur Halbinsel Lecale von Westen und Süden überwachen. Allerdings waren die Normannen nicht die ersten, welche die strategisch günstige Lage erkannt hatten. So deutet der Ortsname auf eine frühe irische Festung in der Nähe hin.
Wegen des verrückten irischen Wetters fahren wir gleich zweimal zum Dundrum Castle. Bei unserem ersten Besuch ist der Himmel bedeckt. In der Dundrum Bay herrscht gerade Ebbe. Ein Schiffswrack liegt im Sand auf dem Trockenen. Ansonsten sind in der inneren Buch ausgedehnte Wattflächen zu sehen. Stellenweise werden diese durch Schlick durchsetzt. Bei der Burg selbst herrscht eine düstere Stimmung. Bei unserer Ankunft bemerken wir zwei Mittelalter-Schauspieler. Sie üben sich im Schwertkampf mitsamt der passenden Ausdruckssprache. Für die Serien Game of Thrones und Vikings sind bereits sämtliche Staffeln abgedreht. Doch wer weiß, was noch kommt?
Dundrum gehörte zu einer Reihe von Küstenburgen, mit denen sich die anglonormannischen Invasoren ab 1177 im Nordosten von Ulster festsetzten. Nachdem John de Courcy bei Carrickfergus bereits eine Feste erbaut hatte, begann er um 1180 mit Dundrum Castle. Nach seiner Vollendung galt das eindrucksvolle Fort als sicherste Normannenfestung in Ulster. Die Anfänge waren indes bescheiden. De Courcy ließ zunächst eine einfache Verteidigungsanlage aus Erde und Holz errichten. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts befahl er noch die Ummauerung des Burghofes. 1203 wurde de Courcy jedoch von Hugh de Lacy aus Ulster verjagt. Als neuer Burgherr ließ er die Festung verstärken. Ungewöhnlich ist dabei der kreisrunde Donjon. Runde Formen der Befestigungsanlagen waren zu Zeiten de Lacy in Mode. 1210 gelang es König Johann Ohneland, die Burg einzunehmen. Aber auch er blieb nicht ihr letzter Besitzer.
Heute ist Dundrum Castle ein zweigeteiltes Bauwerk. Vom Parkplatz aus blicken wir auf die Mauern des ehemaligen Wirtschaftsbereiches. Hier wurden Schafe und Kühe gehalten. Daneben gab es Ställe für Schweine und Hühner. Auch eine Schmiede war im Gehöft vorhanden. Einzig die heute stattlichen Bäume fehlten damals. Diese hätten dem Feind Deckung geboten. Die Schutz bringende Mauer kam ebenfalls erst viele Jahre später, nachdem die Familie Magennis aus Mourne am Ende des 15. Jahrhunderts Dundrum Castle einnahm. Das Eingangstor hierzu ist noch in seiner ursprünglichen Form vorhanden. Trotz der weiteren Verstärkung mussten auch die Magennis um ihr Hab und Gut kämpfen. Zwischenzeitlich verloren sie die Burg bzw. übergaben sie an Lord Mountjoy, um sie 1642 erneut einzunehmen. Ihrer Ära an der Dundrum Bay setzten die Parlamentaristen ein jähes Ende. Und nicht nur das. Oliver Cromwell ließ 1652 alle Befestigungen sprengen. Er bescherte uns somit die heutige Ruine des Dundrum Castles.
Ein schmaler Pfad führt die Böschung hinauf zur eigentlichen Burg. Oben angekommen eröffnen sich uns mehrere Aussichtsmöglichkeiten. Wir steigen beim Donjon wie auch auf den Turm des Torhauses hinauf. Das reicht, um über das Dorf Dundrum hinweg bis zu den Mourne Mountains zu sehen. So richtig schön wird die Sicht aber erst bei unserem zweiten Besuch am Abend. Bei einer nur noch lockeren Bewölkung taucht die Abendsonne das Gemäuer mitsamt der grünen Landschaft in ein wunderschönes Licht.
Der Donjon weist heute noch zwei Stockwerke auf. Aufgrund des Abzugs vom alten offenen Kamin und der Wendeltreppe geht man von mindestens drei Stockwerken aus. Während das Erdgeschoss als Lager mit Zisterne diente, waren im ersten Stock der Wohnraum und im zweiten Stock das Schlafgemach des Lords eingerichtet. Wir blicken hinab auf die Bäume im unteren Burgteil. Die Blundells, diese hatten Dundrum Castle bereits 1636 von Lord Cromwell gekauft, kehrten 1660 zurück. Sie ließen ein Herrenhaus in der Südwestecke des äußeren Burghofes erbauen. Bis dato sind die Giebel des Anbaus zu erkennen. Es wird angenommen, dass die Blundells auch die Bäume pflanzten.
Im unteren Burghof finden wir die niedrige Ringmauer eines Kalkofens. Diese wurde damals an die Wand eines mittelalterlichen Steinbruchs gebaut und war über fünf Meter hoch. Solche Kalkbrennöfen waren nie als dauerhafte Bauten konzipiert. Während der Hauptbauphase der Burg wurde darin Branntkalk produziert. Mit Wasser und Sand vermischt, entstand somit Kalkmörtel für den Mauerbau. Nach dem Abschluss der Bauarbeiten schüttete man die Öfen wieder zu und vergaß sie mit der Zeit.
Mittels einer Magnetometrie wurde der Kalkofen bei Dundrum Castle 2012 wiederentdeckt. 2013 haben ihn Archäologen ausgegraben und untersucht. Die Ausgrabung zeigte auch, dass der mittelalterliche Boden einiges tiefer gelegen war als heute. Durch das Zuschütten ist der Ofen sehr gut erhalten geblieben. Beschädigungen und Risse an der Ofenwand werden auf die hohen Temperaturen während des Brennens zurückgeführt. Durch ein Zugloch am Ofenboden konnte der Kalk nach dem Brennen aus dem Ofen gezogen werden. Heute ist der Ofen wieder verdeckt und mit Gras bewachsen. Einzig der Mauerring zeigt die Position des Bauwerks.
Von der Burg aus wirkt das Dorf Dundrum richtig hübsch. Wir spazieren eine Runde hindurch und entdecken zwei hübsche, jedoch geschlossene Pubs. Das war es dann aber auch schon. Mitten am Tag wirkt der Ort wie ausgestorben. Es ist so trist hier wie das Wetter. Bei einem rotweißen Häuschen an der Hauptstraße weist ein Schild zu den Greenbanks. Dies ist ein Picknickplatz an der Küste der Dundrum Bay. Noch immer herrscht Ebbe, sodass wir über eine große Sandfläche hinwegblicken. Entlang der Küstenlinie stehen hübsche Häuser. Es gibt eine schmale Öffnung hin zum Meer. Man könnte annehmen, Dundrum läge geschützt in der Bucht. Aber weit gefehlt. Gabionen und Felsblöcke schützen die Küste vor Flutwellen. Die Anwohner fürchten um ihre Immobilien, deren Fundamente von Unterspülungen bedroht sind. Ein Haus an der See mag ja schön sein. Aber die Naturgewalten bergen eben auch so manch eine Gefahr.