Tosender Verkehrslärm empfängt uns am Christchurch Place am Ende der Lord Edward Street. Dominiert wird der Platz von der Christ Church Cathedral, der älteren der beiden mittelalterlichen Kathedralen Dublins.
Bereits 1030 ließ der Wikingerkönig Sigtryggr Seidenbart an dieser Stelle eine erste hölzerne Bischofskirche erbauen – damals in sicher noch ruhiger und idyllischer Umgebung. Nach der Eroberung Dublins ließ der Normannenführer Richard Fitz Gilbert de Clare – besser bekannt als Strongbow – die Holzkirche im Jahr 1172 durch einen romanisch-gotischen Steinbau ersetzen. Damit schuf sich der aus Wales stammende Kriegsherr und 2. Earl von Pembroke zugleich seine letzte Ruhestätte. Er wurde im April 1176 im südlichen Teil der Kathedrale bestattet, in der es dann aber nicht immer so ruhig zuging. Im Laufe der Zeit wurde die nur schlecht gebaute Südwand marode, bis sie schließlich zusammenbrach und das Grabmal Strongbows zerstörte. Heute steht an gleicher Stelle ein Replikat des alten Grabmals.
Ebenfalls für Unruhe sorgte Heinrich VIII. Tudor. Nachdem seine erste Ehe mit Katharina von Aragon ohne männlichen Thronfolger blieb, verlangte er in den 1520ern die Annullierung der Ehe durch Papst Clemens VII.
Dieser verweigerte ihm jedoch seinen Wunsch mit den Worten »Non possumus« – wir können nicht. Als Reaktion darauf verbrannte Heinrich den Bischofsstab des St. Patrick, die kostbarste Reliquie der Christ Church Cathedral.
Mosaike und Kapelle in der Christ Church Cathedral
Dann sagte er sich von der römisch-katholischen Kirche los. Dies war der Auftakt der englischen Reformation. Heinrich VIII. gründete seine eigene Anglikanische Kirche und ernannte sich selbst zum Oberhaupt der Gläubigen. Nach ihm ließ Königin Elisabeth im Jahr 1560 die anglikanische Staatskirche durch das irische Parlament einführen. Die Iren ließen sich davon jedoch nicht beeindrucken und hielten an ihrem katholischen Glauben fest.
Durch ständige Renovierungs- und Umbauarbeiten hat sich die romanisch-gotische Kirche zu einen Sakralbau des 19. Jahrhunderts gewandelt. Viele alte Bauteile und der Bodenbelag sind Replikate. Dennoch sind die Rondelle der Bodenmosaike richtig hübsch anzusehen. 74 als Bettelmönch verkleidete Füchse umgeben das Mosaik.
Schön ist auch das alte, aus Messing gefertigte Bibelpult in Form eines Adlers. Mit Hilfe der Löcher am Pult wurde früher die Bibel fest gekettet. Irische Halunken machten auch vor der Kirche nicht Halt. So endete manche Bibel als Heizmaterial in den verarmten Haushalten der einfachen Menschen.
Beachtlich ist die Krypta der Christ Church Cathedral, die zu den größten Krypten einer Kathedrale auf den Britischen Inseln zählt. Beachtliche Steinpfeiler tragen das gesamte Gewicht der Kathedrale und des Hauptturms. Zu Cromwells Zeiten fand hier ein überdachter Markt mit Läden und Tavernen statt. Später wurden die Gewölbe als Lagerräume genutzt,
bis man sich besann und die Krypta zu einen Ausstellungsraum umbaute. Heute werden hier Kirchenschätze gezeigt, aber auch eine mumifizierte Katze. Sie war auf der Jagd nach einer Ratte in einer Orgelpfeife steckengeblieben. Der Ratte erging es nicht besser. Ihr war der Fluchtweg abgeschnitten, womit auch sie dran glauben musste.
Direkt neben der Christ Church Kathedrale und damit über eine Fußgängerbrücke aus dem 19. Jahrhundert verbunden, befindet sich Dublinia. Dort, wo einst das Herz des mittelalterlichen Dublins pulsierte, hat sich das Heimatmuseum von Dublin als Ziel gesetzt, die bewegte Geschichte der irischen Hauptstadt erlebbar zu machen. Das heißt: so ziemlich alles darf angefasst, vieles ausprobiert werden.
Der Rundgang durch das Museum beginnt mit einem virtuellen Gang über den mittelalterlichen Markt der Stadt. Schön finden wir, dass anstelle von Zeichnungen alles so lebensnah wie nur irgendmöglich nachgestellt ist. Die Menschen hinter den Buden und Ständen sind lebensgroß. Schaut man nicht so genau hin, meint man sogar, dass es sich um echte Menschen handelt.
Ist es an der einen Ecke eine Schenke, die unsere Aufmerksamkeit weckt, so begeistert uns ein paar Schritte weiter eine Hafenszene, wie sie früher ausgesehen hat. Wie es sich für eine mittelalterliche Stadt schickt, wurde selbst an den Pranger samt Missetäter gedacht. Hier treten dann auch die Unterschiede zu einem echten Pranger offen zu Tage: anstelle von Steinen und Kot liegen heute kleine Bälle bereit, mit denen der Schuft beworfen werden kann.
Auch andere, dunkle Epochen der Stadt sind in Dublinia nachgestellt. So erinnern aufgebahrte Körper und vom Elend gezeichnete Gesichter an das Jahr 1348. Damals wütete die Pest in den schmutzigen Gassen und raffte die derzeit bereits überwiegend englische Bevölkerung dahin. Daneben sind es ganz profane Dinge wie Zahnschmerzen und deren Behandlung vor 700 Jahren, die uns angesichts der primitiven Geräte einen Schauder über den Rücken jagen.
Der obere Stock ist den Wikingern gewidmet. Hier bekommen wir eine Vorstellung von dem Leben an Bord eines Wikingerschiffes und von den beschwerlichen wie auch gefährlichen Reisen der Nordmänner, von ihren Waffen und Fähigkeiten im Kampf. Wer möchte, kann sich als kampferprobter Wikinger kleiden oder sich in die missliche Lage eines Sklaven versetzen.
Daneben bekommen wir Einblick in das verrauchte Innere eines typischen Wikinger-Langhauses und können uns am Runen-Alphabet versuchen. Zuletzt sind es die Mythen und Sagen der Wikingerzeit, welche den Besuch des Museums zu einem echten Erlebnis - auch für Erwachsene - machen. Damit ist Dublinia für uns weit mehr als nur ein Schlechtwettertipp.