Bei unserer zweiten Fahrt durch Louth nach Carlingford haben wir Zeit und fahren auf gemütlichen Straßen Richtung Norden. Die Autobahn samt ihrer Mautstrecken meiden wir so gut es geht. Bald passieren wir den Rundturm von Monasterboice, dessen Spitze über die Baumwipfel hinweg zu sehen ist. Zur Mittagszeit erreichen wir die Halbinsel Cooley, ganz im Nordosten der Republik Irland.
Mit dem Weideland und den Schafherden bildet diese Gegend ein irisches Idyll wie aus dem Bilderbuch. Trotzdem wurde Cooley von den Touristen lange Zeit gemieden. Während der Kämpfe des Nordirlandkonflikts befand sich hier ein Rückzugsgebiet der Aktivisten. Für einen unbeschwerten Besuch lag es einfach zu nahe am nordirischen Newry, einem der Hotspots der »Troubles«.
Heute herrscht auf Cooley eine angenehme Ruhe. Den Besuchern steht eine Reihe ganz unterschiedlicher Wandertouren über die Halbinsel offen. Von einfachen Spaziergängen bis zum anspruchsvollen 30 km langen Táin Trail ist es so ein Leichtes, das Tagesprogramm zu füllen. Auf unserem Plan stehen indes die Burgen im Vordergrund. So erreichen wir das nette Städtchen Carlingford. Auf der Suche nach dem King John's Castle halten wir bei der erstbesten Ruine.
Vor Ort wird jedoch deutlich, dass es sich um ein kirchlichen Bau handelt. Um 1300 befand sich hier eine Abtei der Dominikaner. Zeitweise wurde die Abtei auch von den Franziskanern übernommen, was zwangsläufig Zank und Zwist zwischen den beiden Orden entfachte. So endete die Kirche als Lagerstätte, bis ihr Dach einstürzte. Zuletzt nahm sich das Ministerium für Kulturerbe ihrer an.
Wir spazieren noch über den Fußweg, der um die Anlage der Abtei führt. Dann aber fahren wir weiter in den Ort hinein und stehen bald vor der Ruine der trutzigen Ritterburg des Königs Johann Ohneland. Wir parken direkt auf dem Hafenkai, der an die Burg angrenzt. Er ist über einen schmalen Fußweg mit dem Burghügel verbunden. Damit hat es sich leider auch schon. Denn zur Zeit unseres Besuchs werden die Gemäuer saniert. Sie sind aus Sicherheitsgründen schon einige Zeit für die Öffentlichkeit gesperrt, wobei es für uns nicht ersichtlich ist, wann die Ruine wieder zugänglich sein wird.
Die Festung selbst wurde von den Normannen gebaut, als sie nach ihrer Invasion im Jahr 1169 ihren Einfluss auf das Land zu festigen versuchten. König Johann ließ in fast jedem Ort, den er in Irland aufsuchte, eine Burg bauen. Mit den meisten hatte er anschließend allerdings kaum was zu schaffen. Carlingford wurde wahrscheinlich um 1200 von Hugh de Lacy gebaut.
Um 1210 kam der König für drei Tage nach Carlingford, um der Wikinger-Siedlung das Stadtrecht zu verleihen. Es wird vermutet, dass der König zu jener Zeit die ersten Seiten der Magna Charta entwarf. Genaues weiß jedoch keiner. Bei unserem kurzen Besuch wuselt eine Schulklasse um die Burg. Die Schüler sind ebenfalls wenig begeistert darüber, dass sie nur auf der Wiese, anstatt auf den spannenderen Burgmauern herumtollen dürfen.
Wir lassen das Auto beim Hafen zurück und spazieren in das pittoreske Ortszentrum von Carlingford. Durch die Fußgängerzone gelangen wir zum alten Stadttor. Es ist eines der wenigen seiner Art, die in Irland erhalten geblieben sind. Der Torbau diente dazu, Steuern auf Waren zu erheben, welche in die Stadt gebracht wurden. Daneben diente es aber auch als städtisches Verlies. »The mint« inmitten der Gasse gehört zu den wenigen befestigten Stadthäusern, welche die Jahrhunderte überdauert haben.
Hier lebte einst eine wohlhabende Kaufmannsfamilie. Auch wenn sie zusammen mit der Stadt ab 1467 das Münzrecht erhielt, wurden in Carlingford keine Münzen geprägt. Am anderen Ende der Altstadt steht das Taaffes Castle, eine Kleinburg, die einst direkt am Meer stand. Wo früher vermeintliche Angreifer abgewehrt werden sollten, bildet heute ein Eiswagen den touristischen Kontrast zum altehrwürdigen Gemäuer.
Das mittelalterliche Städtchen ist ein wahres Schmuckstück. Und den Bewohnern ist dies offenbar bewusst. Sie hegen und pflegen ihre kleinen Häuser und verzieren diese mit Blumen und Wandmalereien. Gerne wollen wir noch etwas verweilen und suchen einen der Pubs auf, in der Hoffnung, etwas zum Essen zu bekommen. Es ist 13 Uhr und damit eigentlich die beste Zeit. So denken wir zumindest. Vor Ort aber müssen wir erfahren, dass die Küche noch geschlossen ist.
Der Wirt könnte uns stattdessen ein Frühstück servieren. Na prima. Wir verzichten und kehren mangels Alternativen zurück zum Hafen. Unerwartet früh plündern wir schließlich einen Teil unserer Vorräte und setzen uns zum Essen an den Kai. So haben wir eine schöne Aussicht auf die Boote, die teilweise durch die Ebbe auf dem Trockenen liegen. Uns gegenüber erstreckt sich der Meeresfjord Carlingford Lough, welcher mit seiner delikaten Austernzucht Carlingford zu Irlands Austernmetropole macht.