Mellifont Abbey besticht durch seine idyllische Lage im Tal des Mattock River. Unterstrichen wird dies von den sanften Hügeln von Tullyallen. Obendrein befindet sich das alte Kloster am Ende einer Sackgasse. Als Folge benötigen wir zwei Anläufe für den Besuch der alten Gemäuer. Denn während unserer ersten großen Irland-Rundreise wird die Straße saniert.
Wer die schmalen Straßen Irlands kennt, der weiß, wie schlecht sich Baugeräte und Besucherströme miteinander vereinbaren lassen. Infolgedessen ist sowohl die Sackgasse als auch das Kloster für Besucher gesperrt. Somit endet unsere erste Fahrt dorthin abrupt vor einer Barriere. Einige Jahre später, zum Abschluss unserer Game of Thrones-Tour durch Nordirland, starten wir den zweiten Anlauf. Diesmal haben wir Erfolg.
Das Kloster Mellifont ist Irlands älteste Zisterzienserabtei. Zurück geht die Abtei auf Malachias, dem damaligen Bischof von Down. Sein Besuch der Zisterzienser in Frankreich begeisterte ihn derart, dass er einige der Mönche zu sich nach Irland einlud. Malachias wollte einen Neuanfang im Klosterleben setzen. Die Klöster sollten wieder stärker in die kirchliche Hierarchie eingebunden sein, um diese dem Gehorsam des Papstes zu unterwerfen.
Am 25. Juni 1115 gründete Bernhard von Clairvaux im sogenannten clara vallis, im »Hellen Tal«, die Abtei von Mellifont. Der Name leitet sich vom Lateinischen Fons Mellis, was »Honigquell« bedeutet. Als erste Gemeinschaft lebten hier zwölf französische und irische Mönche. Allesamt hatten sie ihre Ausbildung im Kloster Clairvaux in Frankreich absolviert.
Sowohl die Bischöfe als auch die weltlichen Fürsten unterstützten das neue Kloster-Vorhaben. Die kirchlichen Verhältnisse sollten neu geordnet werden. Hierzu überschütteten die weltlichen Herren das Kloster geradezu mit Unzen von Gold. Dennoch dauerte es bis zum Jahr 1157, bis die Kirche eingeweiht werden konnte.
Mellifont Abbey wuchs bald zu einer großen Gemeinschaft von Mönchen und Laienbrüdern heran. Sie bearbeiteten das weitläufige Ackerland und gründeten nebenbei weitere Niederlassungen. Die kontinentale Architektur der Klostergebäude kam damals in Mode. So wurde Mallifont Vorbild für weitere Zisterzienser-Klöster. Viele Jahre blieb die Abtei wohlhabend und bis zu ihrer Auflösung außerdem Irlands größte Abtei.
Erst Heinrich VIII. setzte der Blütezeit im Jahr 1539 ein jähes Ende. Wie die meisten Klöster ließ er auch Mellifont Abbey säkularisieren. Die Abtei wurde aufgelöst, um das Vermögen und die Macht der Kirche zu kontrollieren. Anschließend fiel das Anwesen an Edward Moore, dem Stammvater der Earls of Drogheda.
In der Folgezeit erhielten die alten Gemäuer neue Funktionen. Moore passte das Kloster den zeitlichen Gegebenheiten an und baute es zu einer Burg aus. Während der Schlacht am Boyne im Jahr 1690 nutzen 36.000 Söldner Mellifont als Hauptquartier. In den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts dienten die Steine der Abtei-Ruine für den Bau einer großen Mühle. Anstatt der Mönche lebten fortan sieben Familien der Müller in den Gebäuden. Mitte des 19. Jahrhunderts diente die Mühle zur Verarbeitung von Flachs und von 1876 bis zur Schließung 1900 als Sägewerk.
1936 gingen die Ruinen der Mellifont Abbey in staatliche Obhut über und die Mühle wurde abgerissen. Von der einstmaligen Abtei haben nur wenige Reste die Zeit überdauert. Der Kapitelsaal, in dem die täglichen Geschäfte erledigt wurden, und das Torhaus sind im Wesentlichen erhalten geblieben. Auffällig ist das achteckige Waschhaus. Um es mit Wasser zu versorgen, verlegten die Mönche ein Bleirohr unter der Kirche bis an den Fluss. Hier konnten sich die Brüder den Dreck der Feldarbeit abspülen. Andere Teile des Klosters, darunter die große Kirche und das Refektorium, sind bis auf niedrige Mauern abgetragen. Ein Großteil davon lag jahrhundertelang unter der Erde verborgen, gelangte durch die Ausgrabungen aber wieder ans Tageslicht.
Ausgrabungen rund um Mellifont Abbey förderten in den 1960er Jahren aber auch Beweise für eine neolithische Besiedlung zutage. Auf den Feldern um Mellifont lag eine kleine Gruppe bronzezeitlicher Grabdenkmäler. Im Nordosten, bei Slieve Na Calliagh, befindet sich ein Keilgrab aus der Bronzezeit. Es wird das »Haus der Calliagh Bhéarra« genannt. Der Name erinnert an die Geschichte des Sagenhelden Fionn mac Cumhaill, der durch den Zauber einer schönen Hexe frühzeitig alterte.
Südlich von Mellifont befindet sich Newgrange. Es ist ein gewaltiger Grabhügel mit einem Durchmesser von 90 Metern. Bevor wir zum Flughafen fahren, wollen wir auch dort ein wenig Geschichte schnuppern. Leider hat sich Heritage Ireland diesem Grab angenommen. So gibt es vor Ort ein Visitor-Center mit allem, was werbetechnisch dazu gehört. Dadurch gehört Newgrange heute zu den meistbesuchten Monumenten Irlands. Ein Besuch der Kammer verlangt eine lange Wartezeit und ist nur in Verbindung mit einer Führung möglich. Ähnliches kennen wir von der schottischen Insel Orkney. Dort standen wir uns einst in der Grabkammer von Maeshowe die Beine in den Bauch.
An den wirklich bedeutenden Tagen gelangt man eh nicht in solche Grabkammern. Bei Maeshowe scheint am Mittwintertag die Sonne beim Untergang in den Eingang hinein. Hier bei Newgrange ist es der Sonnenaufgang, der für etwa eine Viertelstunde die Grabkammer erleuchtet. Für eine aufwendige Besichtigung fehlt uns jedoch die Zeit. Flugzeuge warten bekanntlich nicht, bis alle an Bord sind. Stattdessen genießen wir zusammen mit anderen unvorbereiteten Touristen die Aussicht auf den Hügel. Schließlich aber begeben wir uns auf den Nachhauseweg von einer kurzen und zugleich erlebnisreichen Rundreise.